Import-Welle von Neureifen aus Fernost bedroht klimagerechte Runderneuerung in Europa

Import-Welle von Neureifen aus Fernost bedroht klimagerechte Runderneuerung in Europa

Runderneuerte Reifen werden in Europa zunehmend durch Importreifen aus Fernost verdrängt. Der europaweite Marktanteil runderneuerter Lkw-Reifen stürzte nach Zahlen der ETRMA binnen zehn Jahren von 34,2 Prozent (2012) auf 20,1 Prozent (2022) ab. Die NEUE REIFENZEITUNG warnte bereits im Juni vor der Import-Schwemme. Die Runderneuerung von Pkw-Reifen stagniert, auch durch die Marktüberflutung aus Fernost, seit Jahren bei rund einem Prozent Marktanteil. Das hat fatale Auswirkungen auf Klima, Umwelt und die europäische Wirtschaft. Denn in Europa runderneuerte Reifen bieten mit derselben Qualität, Sicherheit und Laufleistung wie vergleichbare Neureifen klare ökologische Vorteile. Damit bedroht der Billig-Reifenimport das Gelingen der ökologischen Transformation im Transportwesen und erfordert sofortiges Handeln von Seiten der EU-Legislative.

In Europa runderneuerte Reifen durchlaufen zahlreiche Sicherheits- und Qualitäts­kontrollen und erfüllen die hohen Anforderungen der ECE R108/109. Die Profilvarianten decken alle typischen Nfz-Einsatzbereiche und Achspositionen ab. Die Performance, die Runderneuerte auf die Straße bringen, ist absolut konkurrenzfähig. Die Laufleistung runderneuerter Reifen übertrifft in vielen Fällen sogar die von Billig-Importreifen.

Für AZuR-Netzwerk-Koordinatorin Christina Guth ist die Reifen-Runderneuerung „ein viel­versprechendes, zukunftsweisendes Konzept, das nicht nur ökonomisch aufgeht, sondern auch ökologisch und sozial, und deshalb von der Politik dringend unterstützt werden muss.“

Import-Welle von Neureifen aus Fernost bedroht klimagerechte Runderneuerung in Europa

Runderneuerte im Einklang mit den Prinzipien der nachhaltigen Kreislaufwirtschaft

Mit modernster Technologie werden nur die Laufflächen und Seitenwände abgefahrener Markenreifen erneuert. Dadurch können in Europa nicht nur Millionen Tonnen Abfälle vermieden und natürliche Ressourcen geschont werden. Die Runderneuerung spart im Vergleich zur Neureifenherstellung nach einer DBU-Studie des Fraunhofer Instituts UMSICHT aus dem Jahr 2022 zudem über 60 Prozent CO2-Emissionen und rund 50 Prozent Energie (Strom und Gas).

Premium-Reifen für Nutzfahrzeuge mit Qualitäts-Karkassen können von Fachbetrieben bis zu dreimal runderneuert werden. So wird ihre Laufleistung vervielfacht – bei anhaltend hoher Qualität, Sicherheit und Haltbarkeit. Das hat entsprechend positive Auswirkungen auf Klima, Umwelt und Betriebskosten. Importreifen von Nicht-ETRMA-Mitgliedern eignen sich mangels Karkassen-Qualität hingegen meist nicht für die Runderneuerung. Sie müssen nach Gebrauch in der Regel kostenpflichtig entsorgt werden – und werden dadurch zu Abfall, mit einer Halbwertzeit von 2.000 Jahren.

Rückgang der Runderneuerung bedroht Klima, Umwelt und Wirtschaft Europas

Laut European Tyre & Rubber Manufacturers‘ Association (ETRMA) sank die Zahl der in Europa (ohne die Türkei) runderneuerten Lkw-Reifen im Jahr 2022 dennoch um 6,2 Prozent auf 4,29 Millionen Stück – 2007 waren es noch 5,81 Millionen. Damit nimmt die Bedeutung der Runderneuerung in Europa weiter rapide ab, was nicht nur Klima und Umwelt bedroht, sondern auch Unternehmen und Arbeitsplätze. Der Marktanteil runderneuerter Lkw-Reifen geht in Europa kontinuierlich zurück – von 34,2 Prozent (2012) auf 20,1 Prozent (2022). Der Marktanteil runderneuerter Pkw-Reifen stagniert in Europa seit Jahren bei rund ein Prozent.

EU-Schutzzölle durch Produktionsverlagerungen umgangen

Die NEUE REIFENZEITUNG stellt in ihrem Lkw-Reifen-Special fest, dass der EU-Zolleffekt von 2017, der runderneuerten Lkw-Reifen in Europa ein kurzes Zwischenhoch verschaffte, konnte den Abwärtstrend nicht stoppen. 2017 hatten in Europa neu eingeführte Antidumping- und Anti-Korruptionszölle auf Reifenimporte aus China zu einem drastischen Importeinbruch geführt. Die Einfuhr von Lkw-Reifen aus China in die Staaten der EU brach von 2017 auf 2019 um rund 75 Prozent auf unter eine Million ein.

Die Zahl der China-Reifen-Importe blieb in der Folge in etwa auf diesem Niveau. Dennoch erreichte die Zahl der Lkw-Importreifen in Europa 2022 mit 5,59 Millionen Stück einen neuen Höchststand, und lag damit deutlich vor der Zahl runderneuerter Lkw-Reifen (4,29 Millionen). Das lag aus Sicht der NEUEN REIFENZEITUNG daran, dass die Strafzölle der EU und der Nachteil zollerhöhter Markteintrittskosten durch eine massive Verlagerung von Produktionskapazitäten aus China in benachbarte asiatische Staaten umgangen worden ist.

Ein Vergleich macht die drastische Verschiebung der Marktverhältnisse zu Ungunsten von europäischer Wirtschaft und Umwelt deutlich. Im Jahr 2012 kamen auf 100 von Nicht-ETRMA-Mitgliedern importierte Lkw-Neureifen noch 360 in Europa runderneuerte Reifen. Im Jahr 2022 verschlechterte sich das Verhältnis auf 77 runderneuerte Lkw-Reifen gegenüber 100 Nicht-ETRMA-Importreifen.

Mit einer Reifen-Kreislaufwirtschaft die Ziele des Green Deal erreichen

Eine zukunftsweisende Kreislaufwirtschaft strebt die längstmögliche Nutzung von Produkten und Rohstoffen an. Abfälle und Umweltbelastungen sollen durch Reparatur, Aufbereitung oder Wiederverwertung recycelter Rohstoffe vermieden werden. Auch die Reifenbranche kann per Circular Economy ressourcenschonend die maximale Wertschöpfung aus dem Wertstoffkreislauf herausholen.

Der Königsweg einer nachhaltigen Reifen-Kreislaufwirtschaft ist die Runderneuerung gebrauchter Reifen. Die deutliche Steigerung der Marktanteile runderneuerter Reifen in Europa kann einen wichtigen Beitrag zum Erreichen der Nachhaltigkeits-Ziele des europä­ischen Green Deal leisten. Zumal die Runderneuerung eine KMU-geprägte Branche mit kurzen Lieferketten und hoher regionaler Wertschöpfung ist.

Jeder runderneuerte Lkw-Reifen verursacht nach einer Studie des Fraunhofer-Instituts UMSICHT rund 135 kg weniger CO2-Emissionen als ein Neureifen. Eine Verdoppelung des Marktanteils runderneuerter Lkw-Reifen in Europa (auf rund 8,5 Millionen Stück) würde die CO2-Emissionen Europas um mehr als eine Millionen Tonnen senken.

Angesichts der weltweiten Klimakrise ist sofortiges Handeln von Seiten der Politik gefordert. Es müssen schnellstmöglich Maß­nahmen zur Unterstützung der nachhaltigen Runderneuerung ergriffen werden:

  • Alle in der EU zugelassenen Neureifen müssen runderneuerungsfähig sein
  • Die öffentliche Hand muss runderneuerte Reifen bevorzugt einsetzen
  • Runderneuerte Reifen dürfen nicht mehr von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.
  • Fuhrpark- und Flottenbetreibern muss der Einsatz von runderneuerten Reifen über eine staatliche Subventionierung erleichtert werden

 

Downloads:

AZuR Pressemitteilung ( 18.08.2023 / PDF)